Eine Veranschaulichung der Preisentwicklung einer Pizza im Vergleich zu Bitcoin.
Der Krypto-Sektor wirbt, so oft er kann, mit ihr: Deflation der eigenen Währung. Angepriesen wird sie von vielen als heiliger Katalysator für Wohlstand und Reichtum in der zugrunde liegenden Gesellschaft. Um diesem Mythos nun auf den Grund zu gehen, müssen wir uns mit In- und Deflation zunächst etwas genauer beschäftigen.
Inflation bezeichnet einen anhaltenden Anstieg des allgemeinen Preisniveaus in einer Volkswirtschaft, wodurch die Kaufkraft des Geldes abnimmt. Das bedeutet, dass mit der gleichen Menge Geld im Laufe der Zeit weniger Waren und Dienstleistungen erworben werden können – die Preise steigen.
Insbesondere innerhalb der letzten Jahre und durch die Corona-Pandemie ist das Thema Inflation eines der zentralen Themen der deutschen Geldpolitik geworden.
Inflation kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden, darunter eine erhöhte Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen, steigende Produktionskosten oder eine expansive Geldpolitik der Zentralbank, die durch eine erhöhte Geldmenge die Wirtschaft ankurbeln will. Ein gewisses Maß an Inflation wird von Ökonomen als normal und sogar wünschenswert angesehen, da es ein Zeichen für wirtschaftliches Wachstum sein kann und Unternehmen dazu motiviert, Investitionen zu tätigen.
Problematisch wird Inflation jedoch, wenn sie zu stark ansteigt, da dies Unsicherheiten schafft und sowohl Verbraucher als auch Unternehmen unter steigenden Preisen leiden. Eine extrem hohe Inflation, auch Hyperinflation genannt, kann die Wirtschaft destabilisieren, da Löhne und Preise nicht mehr in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen, was zu einer starken Entwertung der Währung führen kann. Regierungen und Zentralbanken versuchen daher, Inflation durch geld- und fiskalpolitische Maßnahmen auf einem stabilen Niveau zu halten.
Deflation hingegen beschreibt den anhaltenden Rückgang des allgemeinen Preisniveaus in einer Volkswirtschaft, was in vielen Fällen wirtschaftliche Probleme verursachen kann. Im Kontext von Kryptowährungen ist Deflation jedoch oft ein gewolltes Merkmal des Systems.
Viele Kryptowährungen, insbesondere Bitcoin, sind so konzipiert, dass ihre Gesamtmenge begrenzt ist – bei Bitcoin liegt dieses Limit bei 21 Millionen Coins. Da keine neuen Einheiten über dieses Limit hinaus geschaffen werden können, führt eine steigende Nachfrage langfristig zu einer Aufwertung der Währung, was einer Deflation entspricht.
Dies hat zur Folge, dass Besitzer von Bitcoin oft – und demnach auch in Zukunft, bei Einsatz der Kryptowährung zum Kauf und Handel mit physischen Gütern – dazu neigen, ihre Coins zu halten, anstatt sie auszugeben. Sie erwarten schließlich, dass der Wert in Zukunft weiter steigt. Während dies für Einzelpersonen von Vorteil sein kann, führt es aus wirtschaftlicher Sicht zu einem Rückgang der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, was Innovationen und Investitionen hemmen kann.
Zudem verstärkt die deflationäre Natur von Bitcoin Probleme bei der Kreditvergabe, da steigende Werte von Kryptowährungen Schulden in traditionellen Währungen verteuern können. Im Gegensatz zu staatlichen Währungen, bei denen Zentralbanken Deflation durch geldpolitische Maßnahmen entgegenwirken können, ist der Mechanismus bei Kryptowährungen fest im Code verankert und kann nicht ohne grundlegende Änderungen am Protokoll beeinflusst werden.
Dies macht Kryptowährungen besonders anfällig für spekulative Blasen und hohe Volatilität, da ihre Knappheit einer flexiblen Anpassung an wirtschaftliche Gegebenheiten entgegensteht.
Da deflationäre Kryptowährungen tendenziell an Wert gewinnen, bieten sie eine attraktive Möglichkeit zur Vermögenssicherung und Absicherung gegen wirtschaftliche Unsicherheiten. Die begrenzte Verfügbarkeit fördert eine steigende Nachfrage, wodurch sich der Wert weiter stabilisieren oder erhöhen kann.
Ohne Eingriffe durch Zentralbanken oder Regierungen bleibt der Wert rein marktgetrieben und frei von politischen Entscheidungen oder geldpolitischen Maßnahmen. Wer früh in eine deflationäre Kryptowährung investiert, kann überproportional von der langfristigen Wertsteigerung profitieren.
Das Verhältnis zwischen den Vor- und Nachteilen der Deflation und deren Einfluss auf die private und gesamtgesellschaftliche Fiskalsituation entspricht genau dem Phänomen, nach dem Deflation insbesondere von Krypto-Unterstützern so allgegenwärtig beweihräuchert wird: Für frühe Investoren rentiert sich Deflation überproportional, während es der Gesamtwirtschaft schadet.
Würde sich Bitcoin eines Tages als globale Währung durchsetzen – man darf ja schließlich noch träumen (oder zumindest die Situation beispielhaft verdeutlichen wollen) – gäbe es ein maximales Angebot von 21.000.000 Coins. Man geht davon aus, das bereits jetzt knapp 4.000.000 Bitcoins verloren sind, entweder durch ungültige Transaktionen aufgrund von Tippfehlern, die dafür sorgten, dass die Bitcoins ins Nirgendwo gesendet wurden oder durch Zerstörung sowie den Verlust der jeweiligen Hardware-Wallets, auf denen sich die Bitcoins befanden.
Es ist anzunehmen, dass dieser Wert weiter steigt und die Menge der sich im Umlauf befindenden Bitcoins so weiter sinkt. Existieren immer weniger Coins, so steigt der Wert eines jeden übrigen Coins mit der Zeit. Dieses Phänomen beobachten wir seit Jahrhunderten bei seltener bzw. älter werdenden Sammlerstücken. Ein solches Verhalten am Beispiel einer Schlüsselwährung wäre jedoch fatal: Viele Bürger und Bürgerinnen hätten guten Grund, ihr Geld beisammen zu halten, da sich dessen Kaufkraft mit der Zeit nur weiter erhöhen würde, während dadurch der Konsum der Gesellschaft rückläufig wird und die Wirtschaftsleistung derer abnimmt. Unternehmen könnten weniger Investitionen tätigen, müssten Löhne verringern oder gar Mitarbeiter feuern und Menschen würden eine intrinsisch wertlose Wechselwährung lieber jahrelang horten statt sich einen Urlaub zu gönnen.
Falls du zum Ende des letzten Absatzes das Gefühl hattest, ich sei kein Fan von Deflation, so liegst du richtig: Deflation ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits schafft sie eine Knappheit, die den Wert und das Vertrauen in digitale Währungen erhöht. Andererseits birgt sie Risiken wie mangelnde Nutzung als Zahlungsmittel und wirtschaftliche Stagnation.
Ob Deflation langfristig ein Vorteil oder ein Nachteil für Kryptowährungen ist, hängt stark von der Entwicklung der Akzeptanz, der Regulierung und der technologischen Anpassung ab. Second- und Third-Layer Lösungen auf bspw. Bitcoin könnten fehlerhafte Transaktionen vor ihrer Durchführung verhindern sowie die Gelder verlorener Wallets zurück in den Umlauf bringen. Damit verhindern wir, dass die Währung weiter verknappt wird und schwächen so die negativen Effekte der Deflation ab, die der Gesellschaft mehr schaden als sie ihr gut tun.
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